Die Frau mit den 5 Elefanten

Erinnerungen des Regisseurs 10 Jahre nach Filmstart

Interview

Anlässlich des 10. Todestages von Swetlana Geier am 10.November denkt der Regisseur zurück und erinnert sich an die beeindruckende Übersetzerin.

Gibt es etwas, dass du mitgenommen hast von Swetlana Geier und dass dich eventuell auch persönlich beeinflusst hat?

Oh – da gibt es viele Dinge! Z.B. ihre unbedingte Loyalität gegenüber dem Autor bzw. gegenüber seinem Werk, auch wenn dies auf Kosten von Konvention und Gefälligkeit ging. Oder wie sich in ihrem Leben verschiedene Seiten des Menschenseins zu einem Ganzen zusammengefügt haben, z.B Verstand und Intellekt mit Intuition und einer sehr sinnlichen Hinwendung zum Leben. Diese Qualitäten werden ja oft voneinander isoliert, beim Einzelnen wie bei der Gesellschaft als ganzes. Die war sie ein strahlendes Beispiel dafür, wie sich vermeintliche Gegensätze ergänzen.

Swetlana Geier ist bereits ein Jahr nach dem der Film herauskam verstorben. Hattest du in dieser Zeit Kontakt mit ihr und weisst du wie es für sie war, dass der Film so erfolgreich war?

Ja, wir waren in dieser Zeit in einem engen Kontakt. Zu einigen Aufführungen sind wir gemeinsam gefahren und ich habe sie weiterhin in Günterstal besucht. Für Swetlana Geier stand immer die unmittelbare Begegnung mit dem oder den Menschen im Vordergrund. Die vielen direkten Rückmeldungen, die sie nach den Vorführungen oder durch Briefe erhalten hat, waren für sie viel bedeutender als die abstrakte Grösse von Zuschauerzahlen oder Festivaleinladungen. Das Gespräch mit dem Einzelnen, bei dem der Film bzw. ihre Gedanken auf Resonanz stiess, hat sie sehr gefreut.

Auch für dich sind 10 Jahre als Filmemacher vergangen. Gibt es etwas dass du anders machen würdest, etwas, dass du sie gerne gefragt hättest oder hättest zeigen wollen?

Der Film ist auf Grundlage meiner Perspektive vor 10 Jahren entstanden. Der Rahmen, die Herangehensweise, die Art der Vertiefung gingen daraus hervor. Inzwischen ist die Erde 10 mal um die Sonne gekreist und meine Perspektive hat sich auch verschoben. Deshalb würde heute ein anderer Film entstehen, aber auch meine Protagonistin wäre heute nicht dieselbe wie vor 10 Jahren. Ein Film hat für mich nichts Absolutes, es ist ein Versuch, eine Annäherung, in der ich einen möglichst hohen Grad an Stimmigkeit mit mir selber anstrebe. Stimmigkeit mit mir wie ich heute bin. Und das ist morgen nicht dasselbe wie gestern. Die Erde dreht sich weiter.

Ich vermisse den Austausch mit Swetlana Geier, die Tasse Tee mit ihr, den Dialog über Dostojewskis Gestalten und ihre Wiedergänger in der heutigen Welt, über Malerei und Kochrezepte - ich kenne nur ein Kuchenrezept von ihr! Und ich vermisse ihren Rat als lebenserfahrene, alte Freundin.

Mich hat die Szene im Zug, wo Swetlana dem Kontrolleur ein Kompliment für seinen Respekt und seine Freundlichkeit macht, besonders beeindruckt... Was hat dich am meisten beeindruckt an ihr? Was machte sie besonders?

Aus der Fülle möchte ich hier nur eine Seite herausgreifen, die Du eben angesprochen hast: Sie verstand die Kunst der Wertschätzung! Sie hat das, was ihr auffiel und gefiel auch zum Ausdruck gebracht. Das war oft wie ein Zauberstab, mit dem sie ihr Gegenüber berührt hat, sei es ein Taxifahrer, eine Studentin oder eben der Grenzbeamte in der von Dir angesprochenen Szene. Die Menschen fühlten sich angesprochen, wahrgenommen, gewertschätzt, und sei es nur durch das Bemerken einer Kleinigkeit. Es war beeindruckend zu erleben, wie sie damit ihre Umgebung verändert hat.

Was bedeutet es dir persönlich, dass du diesen Film machen konntest?

Der Film ist für mich auch deshalb ein Glück, als ich damit zumindest einen Teil meiner Begegnung mit diesem Menschen mit Anderen teilen kann. Das beruflich machen zu können, empfinde ich als grosses Privileg.